Minimal Difference (MD) Glukose und HbA1c

Minimal Difference – Berücksichtigung der Messungenauigkeit bei der Bewertung von Glukose und HbA1c bei der Diagnose des Diabetes mellitus

 

Für die Diagnose des Diabetes Mellitus sind entsprechend den Empfehlungen internationaler Diabetes-Fachgesellschaften (IDF, ADA, EASD u.a) und der WHO verschiedene Diagnosekriterien festgelegt. Dabei sind auch klinische Entscheidungsgrenzen für bestimmte Laborparameter definiert:


Messgröße venöse Plasmaglukose

  • Gelegenheitsplasmaglukose von ≥200 mg/dl (≥11,1 mmol/l)

oder

  • Nüchternplasmaglukose von ≥126 mg/dl (≥7,0 mmol/l); Fastenzeit 8–12 Stunden

oder

  • oGTT-2 h-Wert im venösen Plasma ≥200 mg/dl (≥11,1 mmol/l)

oder

Messgröße HbA1c-Wert

  • HbA1c ≥48 mmol/mol Hb (≥6,5 %)


Jede Messmethode ist aber mit einer gewissen Ungenauigkeit/Streuung behaftet, deren Ausmaß bei der Bewertung eines einzelnen Messwertes berücksichtigt werden sollte.

Die Messunsicherheit wird im Labor i.d.R. als Variationskoeffizient (VK, %) berichtet. Der VK errechnet sich mithilfe der Standardabweichung (SD):


Variationskoeffizient VK [%] = (Standardabweichung SD / Mittelwert MW) x 100


Die Standardabweichung (SD) ist ein Maß für die Streubreite der Messwerte eines Laborparameters um dessen Mittelwert. Wird die Messunsicherheit nicht in Prozent wie beim VK, sondern in der Einheiten der Messgröße angegeben, also z. B. in mg/dl, so kann sie direkt auf das jeweilige Messergebnis angewendet werden. Dafür ist die Berechnung der Minimalen Differenz ein simples und hilfreiches Werkzeug:

Minimale Differenz (MD) = 2 x Standardabweichung (SD)


Die Minimale Differenz (MD) gibt die konkrete Konzentration als absoluten Wert an, ab wann sich ein Messwert mit einem Vertrauensbereich von 95% von einem Grenzwert unterscheidet und ist damit ein einfacher Parameter, der dem Anwender die Bedeutung des zufälligen Fehlers von Laborwerten veranschaulicht.

Das Labor kennt die MD für die betreffenden Parameter und sollte sie dem Anwender mitteilen.


Praxisempfehlungen:

Die Kommission Labordiagnostik (KLD) der DDG/DGKL empfiehlt für die Praxis folgende Grenzwerte:

  • Bei einem klinischen Entscheidungswert (Cut-off) für die Nüchternplasmaglukose von 126 mg/dl (7,0 mmol/l) wird eine MD von bis zu 12,6 mg/dl (0,7 mmol/l) als vertretbar angesehen.
  • Bei einem klinischen HbA1c-Entscheidungswert von 6,5 % (48 mmol/mol Hb) gilt dies für eine MD nicht größer als 0,3 % (2 mmol/mol Hb).

Minimal Difference (MD) für Glukose und HbA1c, mvzlm Ruhr (Stand 06-2023):

Glukose

SD [mg/dl]

MD [mg/dl]

zulässige MD bei 126 mg/dl

100 mg/dl

1,25

2,5

12,6

247 mg/dl

2,59

 5,18


HbA1c (%)

SD [%]

MD [%]

zulässige MD bei 6,5 %

5,74%

0,104

0,28

0,3

10,70%

0,146

0,21


HbA1c: Angabe in %-Einheiten!

 

Beispiel:


gemessene Nüchtern-plasmaglukose [mg/dl]

MD [mg/dl]

Analytisch vom diagnostischen Cut-off von 126 mg/dl unterscheidbar?

Möglicher "echter" Wert [md/dl]

Labor mvzlm Ruhr

133

  2,5

ja

130,5 - 135,5

Labor XY

133

10,8

nein

122,2 - 143,8


Literatur:

  • Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes – Kapitel Epidemiologie, Screening und erhöhtes Diabetesrisiko, Diagnostik. Version 3.0. Konsultationsfassung. 2022 [cited: 2023-06-28]. www.leitlinien.de/diabetes.
  • Landgraf R, Nauck M, Freckmann G, Müller UA, Heinemann L, Kellerer M, Müller-Wieland D. Fallstricke bei der Diabetesdiagnostik: Wird zu lax mit Laborwerten umgegangen? [Pitfalls in the Diagnosis of Diabetes: Are we too Lax with Laboratory Parameters?]. Dtsch Med Wochenschr. 2018 Oct;143(21):1549-1555. German. doi: 10.1055/a-0673-2156. Epub 2018 Sep 20. PMID: 30235490.
  • Diabetologie 2022; 17 (Suppl 2): S1–S13. DOI: 10.1055/a-1789-5615
  • Dieser Beitrag ist eine aktualisierte Version und ersetzt den folgenden Artikel: Schleicher E, Gerdes C, Petersmann A et al. Definition, Klassifikation und Diagnostik des Diabetes mellitus: Update 2021.Diabetologie 2021; 16 (Suppl 2): S110–S118. DOI: 0.1055/a-1515–8638
  • Schleicher E, Gerdes C, Petersmann A, Müller-Wieland D, Müller UA, Freckmann G, Heinemann L, Nauck M, Landgraf R. Definition, Classification and Diagnosis of Diabetes Mellitus. Exp Clin Endocrinol Diabetes. 2022 Sep;130(S 01):S1-S8. doi: 10.1055/a-1624-2897. Epub 2022 Apr 21. PMID: 35451038.
  • Keutmann S, Zylla S, Dahl M, Friedrich N, Landgraf R, Heinemann L, Kallner A, Nauck M, Petersmann A. Measurement Uncertainty Impacts Diagnosis of Diabetes Mellitus: Reliable Minimal Difference of Plasma Glucose Results. Diabetes Ther. 2020 Jan;11(1):293-303. doi: 10.1007/s13300-019-00740-w. Epub 2019 Dec 16. PMID: 31845101; PMCID: PMC6965559.
Dr. Y. Stiegler, 28.06.2023

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