Heparin-induzierte Thrombozytopenie Typ II ( HIT Typ II)

Klinische INformation

Die Heparin-induzierte Thrombozytopenie Typ II (HIT Typ II) muss von der harmlosen HIT Typ I abgegrenzt werden.

Entscheidungsrelevante Charakteristika HIT-Typ I und HIT-Typ II, wobei nur die HIT Typ II klinisch bedeutsam ist:


HIT Typ I

HIT Typ II

Thrombozytenzahl:

Geringer Abfall

Abfall um mindestens 50% unter Heparingabe!

Zeitpunkt Thrombozytenabfall:

Immer in den ersten 5 Tagen der Therapie

Abfall erst ab Tag 5; nur bei Reexposition innerhalb von 3 Monaten kann Abfall auch früher auftreten!

Therapie:

Heparintherapie kann fortgesetzt werden

Heparin absetzen, Umsteigen auf Danaparoid, Hirudin oder Argatroban

Die HIT Typ II stellt primär eine klinische Diagnose dar. Die folgenden klinischen Kriterien müssen diesbezüglich erfüllt sein:

  1. Thrombozytenabfall um mindestens 50% (bezogen auf den Ausgangswert vor Heparingabe) unter Heparingabe ab Tag 5 (bei Reexposition innerhalb der letzten 3 Monate auch früher)

  2. Ausschluss anderer Ursachen einer Thrombozytopenie

  3. Rascher Wiederanstieg der Thrombozytenzahl nach Absetzen von Heparin

Grundlage für die Einschätzung der klinischen Wahrscheinlichkeit einer HIT Typ II ist der „4T-Score“ von Greinacher:

Punkte

2

1

0

Thrombozytopenie

niedrigster Wert 20-100/nl   oder >50% Abfall

niedrigster Wert 10-19/nl oder 30-50% Abfall

niedrigster Wert <10/nl    oder <30% Abfall

Tag des Auftretens des Thrombozyten-abfalls

Tag 5-10 oder £1 Tag (bei Heparintherapie innerhalb der letzten 30 Tage)

>10 Tage oder unbekannt oder £1 Tag (bei Heparintherapie innerhalb der letzten 31-100 Tage)

£4 Tag (keine frühere Heparintherapie)

Thrombosen oder andere Komplikationen

gesicherte Thrombose, Hautnekrosen oder anaphylaktische Reaktion (nach Heparinbolus)

Verdacht auf Thrombose oder nicht nekrotisierende Hautläsionen

keine Thrombose oder Komplikationen

SonsTige Gründe für Thrombozytopenie

keine

denkbar

definitiv


Der 4T-Score ermittelt die Prätest-Wahrscheinlichkeit einer HIT Typ II und erleichtert die Entscheidung zur Umstellung der Antikoagulation

  • Score 0 - 3: HIT sehr unwahrscheinlich (<5%)
  • Score 4 - 5: HIT-Wahrscheinlichkeit moderat
  • Score 6 - 8: HIT-Wahrscheinlichkeit hoch (>80%)

Hoher negativer prädiktiver Wert bei Score-Werte <4

Intensivmedizinische Patienten haben i.R. Score um 5


 Bei allen Patienten sollte vor Heparingabe sowie ab dem 4. Tag mindestens zwei Mal pro Woche eine Blutbildkontrolle erfolgen. Findet ab dem 5. Tag unter Heparin ein Thrombozytenabfall um mindestens 50% im Vergleich zum Ausgangswert vor Heparingabe statt, müssen vor Diagnosestellung einer HIT Typ II die häufigsten Differentialdiagnosen ausgeschlossen werden:

  • Verbrauchskoagulopathie
  • Verlustkoagulopathie
  • Pseudothrombozytopenie (Cave: Diese kann auch akut auftreten!)
  • Medikamenten-assoziierte Thromboyztopenie

Bei begründetem klinischen Verdacht auf eine HIT Typ II sollte Heparin sofort abgesetzt und eine alternative Antikoagulation durchgeführt werden.
 Begleitend kann bei Verdacht auf eine HIT Typ II eine Labordiagnostik veranlasst werden. Die derzeit verfügbaren Tests sind insgesamt kritisch zu bewerten.


 Sollte der Laborbefund keinen Hinweis auf eine HIT Typ II liefern, kann bedenkenlos wieder Heparin gegeben werden. Gleiches gilt auch ohne entsprechenden Laborbefund, wenn nach erfolgter Umstellung auf Orgaran ein rascher Thrombozytenanstieg ausbleibt. Beachten Sie in diesem Zusammenhang bitte, dass die Gabe von Orgaran etwa 13 mal teurer ist als die eines niedermolekularen Heparins.

Ein schwach positives Ergebnis für PF4/H Antikörper kann dafür sprechen, dass die Antikörper nicht Plättchen-aktivierend sind. Ein stark positives Ergebnis dagegen kann für ein höheres Risiko einer HIT sprechen. In beiden Fällen wird die Bestätigung durch einen funktionellen Test empfohlen (Greifswald, Prof. Greinacher, s.o.).


Präanalytik

Bitte vor Anforderung die klinische Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer HIT anhand des 4-T Score beachten, siehe unter Klinische Information!

Untersuchungsmethode

Nachweis von IgG-Antikörpern gegen Heparin/PF4-Komplex aus Serum.

HemosIL AcuStar HIT-lgG (PF4-H)Test, Zweistufen-Chemilumineszenz-Immunoassay.

Bei Patienten unter Heparintherapie können Ergebnisse ≥1,00 U/mL die Anwesenheit von HIT Antikörpern anzeigen.

Ein schwach positives Ergebnis kann dafür sprechen, dass die Antikörper nicht Plättchen-aktivierend sind. Ein stark positives Ergebnis dagegen kann für ein höheres Risiko einer HIT sprechen. Je höher das Testergebnis ausfällt, desto wahrscheinlicher ist das Vorliegen von Plättchen-aktivierenden, klinisch relevanten Antikörpern.

Bei einem Cut-off von 1,0 U/ml beträgt die Sensitivität und Spezifität 100% bzw. 94,7% (PPV 64,3% / NPV 100%).

Bei einem Cut-off von 2,89 U/ml beträgt die Sensitivität und Spezifität 100% bzw. 96,8% (PPV 75% / NPV 100%).

Bei einer hohen prätest-Wahrscheinlichkeit (hoher 4-T Score nach Greinacher) verbessert sich die Aussagekraft weiter.

Die Testergebnisse sollten bei der Diagnosestellung immer im Zusammenhang mit weiteren Informationen (klinischer Kontext!) bewertet werden.

Für Proben mit mehr als 128 U/mL werden die Ergebnisse mit >128 U/mL angegeben.

Ein positives Ergebnis bestätigt aber nicht zwangsläufig die Diagnose einer HIT-II. Bei einigen Patienten können natürlicherweise Antikörper gegen PF-4 auftreten. Daher sollten Testergebnisse bei Diagnosestellung immer im klinischen Kontext bewertet werden (4T-Score!). In unklaren Fällen wird die Bestätigung durch einen funktionellen Test empfohlen.


Cave: Dieser HIT-Test (HemoSil AcuStar) ist nicht für das Screening auf VITT (vakzineinduzierte immunthrombotischen Thrombozytopenie) geeignet! Es muss auf einen alternativen Assay (ZYMUTEST HIA) im Labor MVZ Dr. Eberhard und Partner in Dortmund ausgewichen werden. Wir bitten in diesen Fällen daher um unverzügliche Kontaktaufnahme mit dem diensthabenden Laborarzt.


Bestätigungs-Diagnostik für HIT Typ II Prof. Greinacher, Greifswald:

Nachweis von IgG-AK gegen Heparin/PF4-Komplex + funktioneller Test

Material:
 1 großes EDTA-Röhrchen + 2 Serumröhrchen. Spezieller Anforderungsschein!

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